Führungskultur braucht einen Mind-Change
Wir stehen in Deutschland schon seit längerem an einem Scheidepunkt – die Erkenntnis, dass wir mit unseren bisherigen Führungskulturen, -stilen und -einstellungen in den disruptiven Zeiten nicht zukunftsfäig aufgestellt sind, ist in vielen Unternehmen angekommen, aber neue Wege werden zögerlich umgesetzt, auf den falschen Ebenen gestartet und es wird in einzelnen Methoden und Instrumenten gedacht und nicht in einem grundlegenden Mind-Change. Denn wer als Top-Führungskraft weiter kurzfristig an die nächste Dividende für Shareholder denkt, wird sich nicht auf den Weg in innovationsfreudige Arbeitswelten, motivierende Mitarbeiterbindungen und transformationsoffene Rahmenbedingungen machen. Ein schon länger währendes Problem auch der deutschen Großindustrie – die damit erheblich an Innovationskraft und Attraktivität als Arbeitgeber eingebüßt hat.
Führungskräfte müssen endlich verstehen, dass sie primär Menschen managen und nicht Aufgaben und Prozesse – das machen dann hauptsächlich die Mitarbeiter. Sie müssen weiterdenken, dass Menschen die Digitalisierung nicht nur umsetzen, sondern gestalten sollten. Denn sonst haben wir keinen Wettbewerbsvorteil, wenn wir uns allein in die digitale Abbildung unserer momentanen Prozesse ergehen. Wir schwächen uns aufgrund der Umstellung, gewinnen aber nichts Neues daraus. Vielmehr sollten sie Mitarbeiter fragen, was mit der Digitalisierung für Problemlösungen, aktuelle Herausforderungen oder neue Ansätze mitabgebildet werden könnten.
Führungskräfte mit emotionaler Reife meistern Veränderungen besser
Die Huffington Post hat vor ein paar Tagen in einem Beitrag getitelt „Führung in der Transformation braucht emotionale Reife“ und vertieft geschrieben, dass „bei all den Veränderungen und Unsicherheiten der heutigen Businesswelt Führungskräfte ihre Mitarbeiter richtig mitnehmen müssen, ansonsten kann die digitale Transformation nicht gelingen“. Natürlich müssen Mitarbeiter rational und emotional auf die spannende Reise mitgenommen werden. Mir ist das aber zu kurz gedacht, denn wollen wir die Digitalisierung intelligent für den Menschen nutzen? Dann sollten Mitarbeiter nicht nur mitgenommen werden, sondern eben auch gestalten dürfen. Warum vertrauen wir in Deutschland nicht mehr auf unsere „Tugenden“ – Denker, Erfinder, gute Organisierer? Und das gilt es in unseren Mitarbeitern zu wecken und das gilt es dann zu nutzen. Ja, das braucht emotionale Reife, die eigene und die Unsicherheit des Teams aushalten zu können; das braucht einen Menschenversteher, der Mitarbeitern die Freude am Ausprobieren und die Neugier möglich macht (siehe auch Empowerment braucht Beziehung); das braucht ganz gewiss Souveränität und Selbstbewusstsein, um Fehler ertragen zu können, Erkenntnisse daraus gewinnen zu können und Fehlertoleranz vorleben zu können.
Es ist verständlich, dass wir an momentan noch einigermaßen laufenden Systemen in der Führung festhalten – bei all der Veränderung um uns drumrum. Das ist erstmal menschlich und Unsicherheit darf sein. Sie sollte aber nicht der alleinige Ratgeber sein, Führungskräfte sollten auf ihre Stärken vertrauen, sie sollten sie vor allem kennen. Denn das merke ich in all meinen Coachings immer wieder, berufliche Leistungen werden selten mit tatsächlichen eigenen Fähigkeiten verbunden, so dass sie in unsicheren Situationen und unter Druck diese nicht zur Stärkung der eigenen Selbstwirksamkeit nutzen können. Gelassen und souverän agieren, kann ein Mensch nur, wenn er weiß, was für Ressourcen und Potentiale in ihm selbst bereitstehen (siehe auch CEOs wünschen Coaching). Darum sind Führungsentwicklungsprogramme mit unterschiedlichen Maßnahmen aktuell so wichtig wie selten zuvor.